Vorurteile und Mythen um Familien mit vielen Kindern

Wenn wir derzeit mit den Kids unterwegs sind, werden wir nicht selten schief angeschaut. Klar, wäre mir früher sicherlich auch aufgefallen, wenn eine Familie mit drei so kleinen Kindern unterwegs ist und die Frau "schon wieder" ne Babykugel hat. Hier also ein paar Antworten auf Kommentare und Fragen, die so kommen, wenn man schwanger mit vielen Kindern unterwegs ist. Aber bitte nicht ganz so ernst nehmen, die ganze Sache ... :

Die treiben es wie die Karnickel ...

... kurz und bündig: völliger Quatsch, hat man gar keine Zeit zu. Kleinkinder schlafen gefühlt nie, sind zu Zeiten wach, an denen ich früher nicht im Traum daran gedacht hätte aufzustehen, wenn überhaupt, kam ich da nach Hause ... und eigentlich will 24/7 irgendeiner irgendwas.

Die haben keine Lust zu Arbeiten ...

... könnte man denken, ich befinde mich derzeit im Beschäftigungsverbot, Lars ist demnächst wieder in Elternzeit. Aber glaubt mir: Ein stressiger Tag im Büro ist wie ein Wellnessurlaub im Vergleich zu einem Tag mit drei kleinen Kindern. An dieser Stelle Hut ab vor Tagesmüttern und Erziehern.

Die leben vom Kindergeld ...

... ehm ja. Pro Kind gibt es circa 200 Euro im Monat. Wer sich mal damit beschäftigt hat, was ein Reboarder, die Klamotten für den Waldkindergarten, Spielgeräte für drinnen und draußen oder auch nur Babymilch und Windeln kosten, der wird schnell merken, das ist ein Minusgeschäft. Da ist noch mit keinem Wort erwähnt, dass der Urlaub gleich dreimal so teuer ist und Ausflüge in den Tierpark oder schlimmer noch, auf einen Jahrmarkt oder oder -.-

Ein Kind mehr oder weniger macht den Kohl nicht fett ...

... Oh doch, denn es ist ein weiteres Individuum mit seinen Bedürfnissen und Wünschen, mit seinem eigenen Rhythmus und seinem eigenen Dickkopf. Zwei Kinder sind deutlich anstrengender als eins und drei sind noch mal ne Schippe Chaos und Nerven obendrauf, Ich musste übrigens schon früher immer schmunzeln über die Leute, die mit einem Hund nicht klar kamen und sich deshalb einen zweiten gekauft haben. Der Todesstoß. Das wird nicht von alleine besser, glaubt mir.

Die Kinder beschäftigen sich alleine und miteinander ...

... Muahahahahaha ... Sorry. Vielleicht bei anderen Familien, hier eher nicht. Natürlich spielen die auch mal miteinander. Aber alleine geht das mit einem Alter von 1, 2, und 5 definitiv nicht. Wir haben hier den Slogan "Einer jault immer." Hier hat ständig irgendeiner irgendwem was weggenommen oder an den Haaren gezogen oder schief geguckt oder Langeweile ... es ist quasi von 5:30 Uhr bis 19:30 Uhr ständig irgendeine Interaktion eines Erwachsenen notwendig. Man gewöhnt sich dran, aber das war bei einem Kind definitiv nicht so, da hat die Mini auch mal vor sich hingemalt ohne das die ganze Sache in einer Schlägerei um den pinken Stift endete.

In kinderreichen Familien Herrscht traditionelle Arbeitsteilung ...

... ich wusste nicht mal, dass es dieses Vorurteil gibt, vor meiner Recherche heute. Aber nö, ich bin eher weniger das Muttertier und brauche eine Aufgabe außerhalb der Familie (ja ja ... Kinder sind eine Aufgabe, aber keine, die mich einzig und allein erfüllt). Hier wird die Arbeit geteilt - auch die Wäsche und die Küche ... und die Erziehungszeiten nimmt der Papa.

Wir sind nervige Nachbarn ...

... ja sind wir. Das muss ich einfach zugeben. Waren wir aber schon immer. Wir wohnen in Alleinlage und unsere einzigen Nachbarn sind einfach nur klasse und super hilfsbereit. In ner Neubausiedlung würden wir aber definitiv negativ auffallen, befürchte ich. Hier bellt auch mal nachts der Hund, weil Lars ihn beim Nachhause kommen (Gastro 3:30 Uhr) noch mal raus gelassen hat und Buster ne Weinbergschnecke verjagen muss. Hier wird laut auf dem Trampolin gehüpft, verschiedene Fahrzeuge machen Geräusche auf der Straße und hier wird auch mal lautstark um die gelbe Schippe im Sandkasten gestritten.

Wir sind Asozial ...

... "unfähig zum Leben in der Gemeinschaft" sind wir nicht. Aber ich muss zugeben, ich achte zwar sehr darauf, dass wir niemanden stören - das übrigens sowohl mit den Hunden, als auch mit den Kindern, aber es kann mittlerweile durchaus schon mal vorkommen, dass Dinge passieren, die mir mit der Mini allein nicht in die Tüte gekommen wären. Ein Beispiel: Mittlerweile suche ich nicht mehr für jedes Mal Windeln wechseln eine Toilette auf. Zum einen muss ich immer alle drei Kinder und die Babykugel mitschleppen und kann den Rest ja schlecht unbeaufsichtigt irgendwo lassen (Jeder der öffentliche Wickelräume kennt, weiß wie viel Platz ich dann da drin habe), zum anderen geht das mittlerweile quasi im Laufen, weil die Krümel sich eh nimmer hinlegen lassen. Und ja, auch ich hätte den Kopf geschüttelt über eine Mutter, die ihrem Kind am Rande des Spielplatzes mal eben den Hintern blank zieht. Da sinkt die Schmerzgrenze einfach mit der Anzahl der Kinder.

Wir haben die Kinder nicht im Griff ...

... das kommt ein wenig darauf an, was "im Griff haben" für den einzelnen bedeutet. Das ist nämlich ähnlich, wie bei der Frage vorher ... da sinken die Ansprüche. Wo ich vor 3 Jahren noch aufgesprungen wäre, weil die Mini ne Schippe Sand isst, spare ich es mir mittlerweile schon "Nein" über den Spielplatz zu plärren und sehe mir das Spektakel entspannt an und suche den Wasserbecher aus der Wickeltasche. "Bitte", "Danke", die Unversehrtheit anderer und ein wenig Grundbenehmen den Mitmenschen gegenüber ist hier aber auch bei drei Kinder noch Anspruch der Erziehung.

Familien mit vielen Kindern sind immer Bildungsferne Familien ...

... was für ein Schubladendenken ... aber auch das kann ich nicht sagen. Die meisten Familien mit vielen Kindern (drei und mehr), die ich so kenne, sind eigentlich Akademikerfamilien. Wobei ich mich frage, welchen Unterschied das macht ... aber gut ... um auch dieses Vorurteil zu beantworten: wir haben zumindest >>bald<< beide nen Hochschulabschluss :D

Die haben keine anderen Hobbys ...

... oh doch. Hunde, Wassersport, ein bisschen Yoga, DIY-Projekte ... leider kann ich mit den typischen Mutterhobbys wie Kochen, Backen und Nähen wenig anfangen, das hätte nen Mehrwert in der Familie ...

Das war doch ein Unfall ...

... diese Frage finde ich immer super unverschämt. Manchmal kommt auch: War das geplant? Sagen wir mal so: der Abstand jetzt nicht (der Zeitpunkt war beruflich jetzt auch eher so mittel bis schwierig), so junge Pflegekinder haben wir sonst auch noch die gehabt vorher. Aber wir haben nach der Mini niemals ein Geschwisterchen geplant, sondern immer zwei. Wenn man schon noch mal ganz von vorne anfängt und so ...

Familien mit vielen Kindern haben keine Zeit für Haustiere ...

Tatsächlich ist es hier so, dass es grundsätzlich mehr Zeit für die Hunde gibt, denn wir sind ja derzeit beide daheim. Abendliche Hundekurse sind derzeit leider nicht drin, weil das Bettgehritual eine Katastrophe ist. Aber gut, so ein Pflegekind muss sich erst eingewöhnen und irgendwann spielt sich das alles ein. Allerdings muss ich zugeben, dass es gerade an heißen Tagen jetzt echt schwierig war, alle unter einen Hut zu bringen. Früher bin ich mit den Hunden einfach den ganzen Nachmittag am See oder Kanal gewesen. Mit den Kindern ist das ne echte Nervenprobe und etwas Glück, wenn am Ende des Tages keiner im Wasser gelandet ist. Also gab es getrenntes Programm. Abends oder morgens Hunde, tagsüber Kinder. Gemeinsam im Garten sind Kids übrigens sehr nützlich zum Hunde auslasten ... die springen dann durch Reifen, krabbeln mit durch Tunnel oder müssen sich verstecken um Ruhe zu finden. ;)

Also, wenn ihr das nächste Mal so ne Familie mit lauter Kindern seht, macht vielleicht die Schublade im Kopf noch mal wieder auf und guckt sie euch genauer an. Eine Frage, die Passanten ganz oft stellen ... die der aufmerksame Leser allerdings beantworten kann: "Sind das Zwillinge?" - "Nö sind es nicht, die haben ein Jahr Abstand." Ich versuche mich fremden gegenüber allerdings nie zu erklären indem ich erwähne, dass unser Gast "nur zur Pflege" da ist. Das erkläre ich nur bei Ärzten ... geht sonst keinen was an.