Wie ist das eigentlich so als Pflegefamilie?

Hier zieht nach dem ganzen Corona-Chaos langsam der Alltag wieder ein. Lars ist wieder arbeiten und so ist abends auch wieder Zeit zum bloggen. Zum ersten Mal seit 2015 haben wir einen wirklich jungen Gast (2 Jahre) hier und da kam es zu vielen Fragen in den letzten Tagen. Die will ich jetzt mal beantworten:

Warum macht man das eigentlich?

Ich hab ehrlich keine Ahnung. Beim ersten Mal sind wir 2015 mit der Aufnahme zweier unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge so reingerutscht, seitdem bin ich dabei geblieben. Wahrscheinlich, weil ich keine Langeweile mag. Ein bisschen liegt es auch daran, dass wir das Haus gerne voller Leben haben und ich nicht so viele Kinder selbst bekommen möchte. Vielleicht auch einfach ein bisschen, weil wir es können und die Kapazitäten haben ... So kam eins zum anderen.

Wie wird man Bereitschaftspflegefamilie?

Das ist ein Standardprozess der Jugendämter und freien Träger. Man meldet sich dort. Dann füllt man Fragebögen aus, macht eine Schulung, es werden Gutachten (zur Gesundheit, zur Psyche ...) eingeholt, es muss ein Führungszeugnis beantragt werden und eine Schulung über mehrere Tage gibt es auch noch. Kommt man dann in Frage, kommt jemand nach Hause und schaut, ob die Räumlichkeiten passen und dann irgendwann klingelt vielleicht das Telefon.

Verdient man Geld mit der Pflegetätigkeit?

Ja es gibt Geld. Reich wird man damit nicht und seinen Unterhalt darf man damit auch nicht bestreiten. Die Kosten für Essen, Kleidung und den ein oder anderen Ausflug sind aber gedeckt. Während dem Auswahlprozess müssen sowohl Langzeitpflegefamilien, als auch Bereitschaftspflegefamilien nachweisen, dass die Familie ihre Kosten ohne Pflegegeld und andere Leistungen gut bestreiten kann. Je nachdem, wie gut ausgestattet die Kids hier ankommen, wie weit die Schule entfernt ist, wo man sie hinbringen muss etc. bleibt da meist auch nicht viel hängen bei den kurzen Aufenthalten.

Sind Pflegekinder dankbar?

Das ist sehr unterschiedlich und kommt auch etwas auf das Kind und die Situation an. Wir haben hier ja meist Teenager gehabt und auch bei denen gibt es derbe Unterschiede. Dankbarkeit ist aber auf keinen Fall ein Ziel der Pflegefamilie. Man muss sich vorstellen, dass die Kinder nicht immer freiwillig aus ihrer eigenen Familie kommen. Wie dankbar wäre man selbst dann, wenn man auf einmal in einer fremden Familie sitzt. Die kann sich noch so viel Mühe geben, wenn man als Teenie lieber daheim in der gewohnten Umgebung wäre, ist da einfach keine Dankbarkeit zu holen. Die erwarten wir auch nicht. Auch wenn wir das in dem ein oder anderen Gespräch über Hausaufgaben oder den Haushalt als Mittel zur Überzeugungsarbeit durchaus schon gesagt haben. ;)

Ist es anstrengend mit einem Pflegekind?

Gegenfrage: Ist es anstrengend mit einem neuen Familienmitglied? Also ja, es ist manchmal echt anstrengend und nervenaufreibend. Ich habe gerade alleine zwei Kleinkinder (1 Jahr und 2 Jahre) in getrennten Zimmern ins Bett gebracht. Zwischenzeitlich wollte ich mich auf den Boden im Flur werfen und heulen. Aber wenn solche Situationen dann vorbei sind und alle schlafen, geht das Gefühl auch wieder vorbei ;)

Es ist eben genauso anstrengend, als hätte man selbst ein Kind mehr. Manchmal - der Situation geschuldet - noch etwas anstrengender. Aber es lohnt sich und es ist auch ganz oft super schön.

Was macht die Pflegefamilie?

Also im Normalfall Familie sein und die Kinder, die hier zu Gast sind, so gut es geht, integrieren. Über Weihnachten haben wir sehr viel Karten gespielt um abzulenken, das machen wir sonst nicht. War aber eine nette Abwechslung. Anfangs fahre meist ich los und sammle das Pflegekind ein oder es wird uns gebracht. Dann kümmert sich Lars darum, dass der Schulalltag auch von uns aus gut klappt, wo der Bus fährt ... und ansonsten sind wir einfach Familie, die da ist und Struktur bietet.

Wie schaffst du es, die Kinder wieder abzugeben?

Natürlich gibt man die Kids mit einem lachenden und einem weinenden Auge ab. (Ich weiß, ich soll das nicht machen. Da ich aber viele Leser habe, die nur Hunde und keine Kinder haben und das Gefühl nun mal sehr ähnlich ist, vergleiche ich trotzdem andauernd. Wer den Vergleich nicht lesen möchte, überspringe den kommenden Teil und gehe zur nächsten Frage) Im Grund ist es wie mit Pflegehunden :P Ich weiß, dass ich sie nicht alle behalten kann. Wenn die Kids in ihre Familien zurück oder in Dauerpflegefamilien gehen, bleibt mir nur zu hoffen, dass es ihnen da gut geht und die Zeit bei uns im Haushalt gut getan hat. Wir machen den Übergang oder die Atempause so angenehm wie möglich. Mehr ist nicht unsere Aufgabe.

Zumal wir ja den Vorteil haben, dass noch eigene Kinder im Haushalt leben und ich früher oder später immer zu der Erkenntnis komme, dass eine Pause als Pflegefamilie immer mehr Zeit und Energie für die eigenen Kids mit sich bringt.

Wie macht die Mini das alles mit?

Die Mini kennt es nicht anders und auch der Babymann wird in diese verrückte Familie hineinwachsen. Seitdem die Mini 9 Monate alt ist, leben in diesem Haushalt immer mal wieder "fremde" Kinder und Jugendliche. Die Mini weiß sehr genau, dass nicht jede Mama es schafft, für ihre Kinder da zu sein und dass wir dann als Familie einspringen. Die Gründe dafür versuchen wir ihr so gut es geht zu erklären. Das kann sein, weil die Familie sehr weit weg ist oder weil die Eltern krank sind oder oder ... sie geht mit sehr viel Verständnis an die Sache ran, nimmt Rücksicht, tröstet auch und hat dieses Mal sogar angeboten ihr Zimmer zu teilen, damit unser kleiner Gast nicht alleine im Kinderzimmer schlafen muss.

Ich muss allerdings auch zugeben, dass die Mini das ein oder andere Mal durchaus auch traurig war, als die Kids wieder ausgezogen sind. Alles in allem denke ich, dass sie daran wächst und hoffe und erfrage regelmäßig, dass es ihr nicht zu viel wird.

Was passiert mit den Kindern Nach der Bereitschaftspflege?

Das kommt ganz darauf an. Entweder die Verhältnisse in der eigenen Familie haben sich beruhigt und sie können wieder dahin oder sie kommen in eine Dauerpflegefamilie. Einige sind auch erst mit 18 bzw. 19 hier ausgezogen. Wieder andere gehen in eine Einrichtung um da zu wohnen. Die Kids sind so lange hier, bis die Situation geklärt ist und gegebenenfalls ein Gericht darüber entschieden hat, wie es weitergeht. Wir bilden sozusagen den Übergang oder die Notunterkunft.

Noch Fragen? Dann schreibt Sie mir, ich werde versuchen Sie zu beantworten. Wer sich selbst vorstellen kann, Pflegefamilie zu sein, egal ob auf Dauer- oder "nur" für kurze Zeit, kann sich beim zuständigen Jugendamt der jeweiligen Stadt oder des Landkreises genaue Infos holen. Zusätzlich dazu gibt es Vereine und Oragnisationen, die ebenfalls Informieren.