Ich kann nicht schlafen...

Ich muss zugeben, mittlerweile gucke ich tatsächlich meistens Nachrichten und zucke nicht mal mehr mit der Wimper. (so ein bisschen wie in dem Song "An Tagen wie diesen" von Fettes Brot.) Ich höre zu Hause durch meine Jungs ständig von sehr viel Elend. Ich weiß, wie herzlos Menschen sein können (vor allem am Beispiel von Tieren). Heute bin ich trotzdem irgendwie nachdenklich.

Was die Situation geändert hat, weiß ich nicht. Nach dem Vorfall in Würzburg (letzte Woche?, kommt mir vor wie gestern) habe ich noch brav auf alle Fragen nach meinen eigenen Pfleglingen - und ja, es gab sehr viel - geantwortet, dass man niemals drin steckt und der Junge erst zwei Wochen in der Familie war. Dass man im Grunde auch nur das Beste hoffen und tun kann (wie bei den eigenen Kindern übrigens auch) und das die Jungs teilweise schon sehr traumatisiert hier in Deutschland ankommen.

Meine Bekannten, die zur Zeit Urlaub in der Türkei machen, belächle ich ein bisschen, denke mir aber jedesmal, was will man auch machen, das Leben muss weitergehen.

Recht sollten sie behalten, in Bayern ist es dieser Tage anscheinend leider auch nicht sicherer. :( Als der Waupapa heute fragte, ob wir tatsächlich demnächst nach Berlin fahren wollen, habe ich ihm übrigens genau das geantwortet. Aber jetzt, werde ich nachdenklich:

 

Ich gehöre im Grunde zu einer friedensverwöhnten Generation. (Meine Mutter hat sich damals schon Sorgen gemacht, dass ich traumatisiert sein könnte, weil ich die Bilder vom Terroranschlag auf die Twin Towers im Fernsehen gesehen habe.) Lange habe ich mir gesagt, dass wird nicht schlimmer auf der Welt, die Medien sind nur schneller da, das öffentliche Interesse ist größer, ... mittlerweile merke ich aber - auch in meinem engeren Freundeskreis, dass sich die Gesellschaft selbst hier vor meiner Haustür immer mehr spaltet, dass sich die Situation in Europa und an den Grenzen immer mehr verschärft, dass Menschen wie Donald Trump tatsächlich gewählt werden und das es einfach jede Menge Hass gibt, den ich mir nur schwer erklären kann. Ich bin erzogen worden mit dem Satz "Hass ist Kraftverschwendung, versuche es mit Ignoranz, wenn es nicht anders geht." (Danke Oma) Damit bin ich tatsächlich immer gut gefahren und ich kenne dieses Gefühl sich in irgendetwas so dermaßen hineinzusteigern gar nicht, um ehrlich zu sein.

 

Einer meiner Pflegesöhne hat versucht mir das Gefühl zu erklären, indem er fragte, was ich machen würde, wenn jemand der Mini etwas antut. Denn das passiert in Kriegsgebieten schließlich ständig. Hiermit kann ich bestätigen, ich verstehe nun, wie Hass auf ganze Bevölkerungsgruppen (auch wenn das irrational ist) zustande kommt.

Anmerkung der Redaktion: ich verstehe immer noch nicht, wie "Kevin aus Dresden" alle Menschen die irgendwie fremd sind - am besten noch ohne jeweils Berührungspunkte gehabt zu haben, so dermaßen hassen kann, dass es gar kein anderes Thema mehr in seinem Alltag gibt.

In jedem Fall, werden wir nur schwer aus dieser Angst/Hass-Spirale wieder herauskommen. Auch hier in Europa wird das, was immer so weit weg schien wöchentlich zur Realität. Heute ist der Abend, an dem ich mich ehrlich frage, in welche Welt ich mein armes Kind hier geboren habe.

Dabei ist es mir tatsächlich völlig egal, ob es rechtsradikale, islamistische, anti-irgendwas oder was weiß ich für Gründe hatte, dass wieder mal einer völlig durchgeknallt ist und unnötig unschuldige Menschen aus dem Leben gerissen hat.

 

Die Frage, die ich mir stelle, ist allerdings die, wie es zu so viel Hass kommen kann ...

Da sterben in Kriegen ständig Menschen und wissen wahrscheinlich nicht wofür überhaupt. (Ich halte nichts von Religionen und auch nicht von Machtgehabe) Da machen Machthaber, was sie wollen und keiner der Politiker macht mal öffentlich den Mund auf. Da flüchten Menschen aus Kriegsgebieten hier her und wir machen uns Sorgen um deren Handys. Da nähen schon Kinder für Hungerlöhne unsere Klamotten und wir regen uns immer noch auf, dass der Pulli zu teuer ist. Da geht auch in Deutschland der Wirtschaftswachstum an jedem fünften Kind vorbei und es lebt in "relativer Armut". Da werden zugesagte Gelder an Flüchtlingscamps vor Ort nicht gezahlt und wir wundern uns, dass auf einmal alle bei uns vor der Tür stehen. Generell gibt es so viele Ungerechtigkeiten auf der Welt ...

 

Auf der anderen Seite haben auch heute viele ihre Türen geöffnet und Passanten, die nicht in der Innenstadt wohnen und nicht nach Hause kommen aufgenommen. Da versuchen viele Einzelpersonen Integrationsmöglichkeiten (und ja ich weiß aus Erfahrung, manche Leute kann man einfach nicht integrieren) zu schaffen, die eben nicht zu Parallelgesellschaften, wie in Frankreich führen. Da machen sich einige Menschen stark für Aufklärung und werben Tag für Tag für Toleranz und gegen Rassismus. Da spendet eine Zivilbevölkerung wirklich unglaubliche Summen für alle möglichen Projekte in der Welt. Aber reicht das? Ich weiß es nicht und ich will gar nicht wissen, durch welche Spalte der Gesellschaft der Typ von heute wieder durchgerutscht ist (spätestens morgen steht es wohl in der Zeitung, wenn auch erstmal nur online ;))

 

Aber ich maße mir an zu sagen, dass es durch noch mehr Angst und Hass tatsächlich nicht besser wird. Denn das ist das einzige, was wir aus der Vergangenheit sicher sagen können.

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