Achtsamkeit und Zeit für's Kind

Ich habe irgendwann am letzten Wochenende eine Frage in einer Facebook-Gruppe für selbstständige Mütter gelesen, die mich erst überrascht und deren Antworten mich dann wirklich schockiert haben: "Wie sieht bei euch ein typischer Samstag/Sonntag aus?"

Gefangen in einem Hamsterrad?

Viele Antworten der Mamas haben mich nicht nur schockiert, sondern auch sehr traurig gemacht. Denn da bestand das ganze Wochenende nur aus Arbeit und Haushalt. Wo bleiben die Kinder und wo bleiben die Mamas? Ja ich verstehe, dass der Lebensunterhalt verdient werden will, der Haushalt laufen muss und ich kann auch nachvollziehen, dass nicht jede selbstständige Mama Zeit und Geld für ausgiebige Ausflüge am Wochenende hat.

ABER: wir haben Kinder und die haben nur diese eine Kindheit. Wir sind auch nur Menschen und haben nur diese eine Gesundheit.

Es gibt Aufgaben die Können warten.

Einfacher gesagt als getan. Denn die Hausarbeit macht sich nicht von alleine, die Kunden und Geschäftspartner warten nicht und die Kinder halten sich auch nicht an Mama-Ansprechzeiten. ich bin mir dessen bewusst, dass es manchmal richtig viel werden kann und es gab hier die ein oder andere Situation, da war ich auch schon richtig überfordert. Mittlerweile habe ich lernen müssen, dass manche Aufgaben einfach nicht so wichtig sind und warten können. Ich bügle nicht mehr oder nur dann, wenn der Waupapa tatsächlich ein Hemd braucht. Die Mini bekommt hier auch schon mal die Windel direkt von der Wäscheleine an, weil ich nicht dazu kam sie zu falten. Natürlich werde ich so nicht die Hausfrau des Jahres 2016.

Aber mal ehrlich: denkt ihr wirklich die Mini wird sich später daran erinnern, ob bei uns die Hemden der Farbe nach sortiert und gebügelt im Schlafzimmer hingen oder daran, ob ich mir Zeit für sie genommen habe und mit ihr gespielt hab?

Alles auf einmal schafft kein Mensch.

Wir haben nun zu dem ganzen Chaos hier auch noch ein Haus gekauft, an dem die ein oder andere Sache zu renovieren ist. Auch da muss ich mich gelegentlich selbst einbremsen. Denn sowohl finanziell als auch zeitlich geht eben nicht alles auf einmal. Die Erkenntnis, dass der Garten vorne in Ordnung ist, hinterm Haus noch nicht perfekt UND dass das auch OK so ist, kostet mich immer noch den ein oder anderen Nerv. Das gebe ich zu. Aber wir alle können das gut überleben, wenn Minis Klettergerüst eben noch nicht gestrichen ist und schon aufgestellt, sondern ich es einlagere bis zum Frühjahr, weil ich einfach nicht vorher dazu komme. Sie ist zwei, sie kommt ohne Hilfe eh noch nicht rauf und dann gehen wir eben auf den Spielplatz. JETZT SOFORT wäre klasse, aber JETZT sind eben andere Dinge wichtig.

Prioritäten setzen!

Kunden und Geschäftspartner warten nicht? Doch. Tun sie. Ich mache ständig irgendwelche Listen: To-Do-Listen, Prioritätenlisten ... (man muss allerdings auch aufpassen, dass man sich nicht verzettelt mit der Listenerstellung, da sollte nicht zu viel Zeit reinfließen, denn das bringt kein Geld.) Hunde müssen jeden Tag Gassi, Pakete müssen auch zeitnah raus, der Blog kann ggf. auch mal nen Tag aussetzen. An dem Tag brauche ich einen Babysitter, sonst schaffe ich das nie ... etc.

Bei Anfragen kann ich dann sagen, "Ja lieber Kunde, kann ich natürlich machen, aber ich schaffe das erst zu Dienstagabend." Ich habe in den seltensten Fällen jemanden erlebt, der mir dann sagt: Nein, dass brauche ich aber sofort. Wenn das doch passiert, muss ich schauen, ob ich den Auftrag vorziehen kann oder ihn auch mal ablehnen. (Dann ist es super, wenn man Texterinnen/Grafikerinnen etc. an der Hand hat, die man empfehlen kann. So haben alle etwas davon und der Kunde fühlt sich immer noch gut aufgebhoben.)

Als ich noch auf Kundenseite gearbeitet habe, waren mir realistische Timelines (auch denn die länger waren) übrigens lieber als unrealistische schwammige Aussagen und ständiges nach hinten schieben. ;)

Geld ist nicht alles.

Natürlich müssen wir hier den Haushalt am Laufen halten und es ist immer gut Puffer aufzubauen. Jedes Familienmitglied hat Wünsche (Führerschein, Spielzeug, neues Handy, ... kennt ihr) und die erfülle ich auch gerne.

ABER: keiner hier hat etwas davon, wenn ich den Klappmann mache und auf einmal gar nix mehr verdiene. Also müssen manche Wünsche eben etwas warten.

Das fällt hier nicht immer leicht, aber ist der Monatssoll erfüllt, kann ich mich mittlerweile auch mal anderen Projekten widmen und etwas durchschnaufen. Die Füße komplett hochlegen kann man leider irgendwie nie, denn die Kunden lachen mich aus, wenn ich sage, ich verschicke diesen Monat keine Windeln mehr, melden sie sich nächsten wieder oder "Nee, texten will ich diese Woche nicht mehr ...". Aber Tepo rausnehmen, erlaube ich mir durchaus.

Dann bekommt die Mini eben ein gebrauchtes Bobby Car und kein neues. Auch das wird sie später wahrscheinlich nicht mehr wissen ... ich hoffe aber darauf, dass sie sich daran erinnern wird, dass ich sie kilometerweit damit gezogen habe. ;)

Nach 'ner Pause geht es besser.

Ich bin NICHT automatisch produktiver, nur weil ich mehr arbeite.

Das mag bei anderen Mamas vielleicht anders aussehen, aber im Grunde glaube ich das gar nicht. ;) Irgendwann sind wir alle einfach mal auf. Da hilft es auch nicht noch einen zehnten Kaffee zu trinken und dann weiter auf den Monitor zu stieren oder völlig übermüdet in Zeitlupe noch die Fenster zu putzen, da hilft eine Pause. Danach gehe ich erfahrungsgemäß übrigens wesentlich effizienter und mit viel mehr Energie an die Arbeit. (Gilt auch für den Mittagsschlaf von Mini, manchmal lege ich mich ganz dreißt einfach mit hin.)

Pausen nutzen:

Ok zugegeben, wenn ich keine Lust mehr habe abends am Rechner zu sitzen, nehme ich mir auch oft die Wäsche vor oder räume zur Abwechslung die Spülmaschine aus, aber zumindest am Wochenende, nehmen wir uns auch bewusst richtige Pausen. Wir nutzen solche Pausen hier um Gassi zu gehen mit der ganzen Familie, Freunde zum Grillen einzuladen oder Einladungen wahrzunehmen, kleinere Ausflüge ans Meer zu unternehmen, uns einfach ins Café oder mal auf einen Eiskaffee in den Garten zu setzen.

Am Sonntag waren wir zum Beispiel nachmittags am Strand und beim Wilhelmshavener Lichtermeer. (Kosten vielleicht 5 Euro Benzin, 7 Euro Bratwurst und Eis, 3 Stunden Zeit). Das sind Erinnerungen und schöne Momente für die ganze Familie und das sind gleichzeitig Momente, in denen ich abschalten kann. Zu Hause müsste ich die Mini in der Zeit bespaßen, am Strand und zwischen den Lichtskulpturen, laufe ich entspannt hinterher und schaue ihr zu, wie sie die Welt entdeckt.

Pause von Mini.

Kein Scherz, ich sehe mich nicht als 24 Stunden-Rundum-Animateur meiner Tochter. Schon seitdem sie geradeso krabbeln und sich kurzfristig allein beschäftigen kann, nutze ich meinen täglichen Cappuccino für eine Pause.

Am Anfang habe ich sie dann zu meinen Füßen mit Spielzeug auf eine Decke gelegt und sie nur beobachtet während ich genüsslich mein Heißgetränk schlürfte. Mittlerweile weiß sie "jetzt nicht ansprechen, außer das Haus brennt." Das hat Mini verinnerlicht und das bringt mir 10 Minuten, an denen einfach mal keiner was von mir will. (Klingt komisch - hätte ich vor Minis Geburt auch nicht verstanden, aber Mütter werden jetzt wissen, wovon ich rede.)

Nach Hilfe fragen erfordert Größe.

Ich weiß, dass ist nicht jedem vergönnt. Ich habe einen Mann und Großeltern inkl. Uroma in der Nähe. Ich ziehe vor jeder/jedem Alleinerziehenden/m den Hut. Ich kenne das von meiner Mama früher. Aber auch die hatte Freundinnen und Nachbarn, bei denen sie uns mal "geparkt" hat. Ohne geht es einfach nicht.

 

Die Oma freut sich (meistens), wenn wir kommen und ich nehme da auch kein Blatt vor den Mund, ich fahre auch mal hin um uns beide betüddeln zu lassen. Für Mami gibt es nen Kaffee, für die Mini das komplette Spiel- und Spaßpaket. Auch das ist Zeit zum Durchatmen.

 

Unsere Freunde bringen zu 'nem Grillabend auch mal das Grillgut und nen Salat mit oder zum Kaffee auch mal den Kuchen. Das ist hier nicht die Regel, aber das ist für mich OK so. Ich fühle mich als Hausfrau dann nicht angegriffen (ich kann ohne Thermomix und Backmischungen eh nicht backen) und wenn wir vorbeikommen funktioniert das auf Ansage auch andersherum. Wirkliche Freunde sind nicht böse, wenn auf die Frage, ob sie auf nen Kaffee vorbeikommen können ein "JA, aber ... die Wäsche hängt noch im Wohnzimmer oder ich hab keinen Kaffee mehr, bring mit." kommt. Ich hab immer noch Freunde, die hier vorbeikommen. ;)

Ständige Erreichbarkeit?

Zuguterletzt: macht das Handy auch mal aus. Das mit der ständigen Erreichbarkeit ist gut und schön, wird aber schnell zum Stressfaktor. Wer Sonntagabend noch ein Logo zugesendet bekommen möchte, will das wahrscheinlich von der To-Do-Liste haben, wird es aber noch viel wahrscheinlicher eh nicht mehr vor Montag Morgen verwenden oder weiterleiten. Also entspannt euch und macht das kleine Nervgerät auch mal 'ne Stunde aus.

 

Ich persönlich muss mich auch immer wieder dazu zwingen mein Kind auch mal ganz bewusst nicht durch eine Kamera zu beobachten, sondern einfach den Moment zu genießen. Das ziehe ich dann aber auch durch.

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